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Apr02
am 2. April 2017
Veröffentlicht in: Allgemein

Will Roberts

Was bedeutet Marxismus für dich?

Dokumentarfilmer Will Roberts über Deen Reed
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Will Roberts

Als ich den Film „AMERICAN REBEL“ machte, nahm ich viele Interviews mit Dean auf. Der folgende Auszug stammt aus einem Interview, das ich am 1. Juli 1981 mit Dean führte.

Will Roberts: „Das Wort Marxismus ist natürlich für Amerikaner mit negativen Konnotationen verknüpft. Sie hören das Wort und verbinden es mit Kommunismus, Radikalismus oder womit auch immer. Was bedeutet Marxismus für dich?“

Dean Reed 1938 bis 1986

Dean Reed: „Marxismus ist eine politische Philosophie, eine ökonomische Philosophie, die uns daran glauben lässt, dass wir die Gesellschaft verändern können, um sie für die Menschen besser zu machen. Dass wir nicht durch metaphysische Bande in einer Gesellschaft gefangen sind und warten müssen, bis die Gesellschaft sich selbst verändert. Wir müssen diese Bedingungen nicht wie in einem Gefängnis erdulden, sondern gegen sie kämpfen. Die Kirche in Südamerika z. B. glaubt nicht vom marxistischen Standpunkt aus, sondern vom metaphysischen Standpunkt aus. Sie meint, die Welt wurde erschaffen und wenn du arm bist, musst du das akzeptieren. Und wenn du gut bist und das akzeptierst, wirst du am Ende in den Himmel kommen. Ein Marxist aber sagt: ‚Nein, wir können die Bedingungen verändern, wir können den Zustand der Welt verbessern. Wir brauchen nicht darauf zu warten, dass Gott das tut. Wir können es selbst tun. Die Menschen können es gemeinsam schaffen, die arbeitenden Menschen als Masse.‘

Ich bezeichne mich nicht als Kommunisten. Jeder definiert dieses Wort anders. Ich denke, ein Kommunist ist jemand, der Mitglied einer Partei ist. Ich bin in keiner Partei Mitglied, deshalb nenne ich mich einen Marxisten oder Sozialisten, weil ich eine bestimmte Lebensphilosophie habe. Manche Leute haben gesagt: ‚Dean ist eine Marionette des Kremls.‘ Ich mag keine solchen Etiketten. Ich kann ein Schwert nehmen und es 360 Grad um mich herum führen und doch keine Schnur durchtrennen. Ich bin ich selbst und folge seit 20 Jahren meinem eigenen Bewusstsein. Das hat mir Probleme mit allen Regierungen eingebracht. Und das hauptsächlich, weil ich meinem eigenen Bewusstsein folge und nicht einer Parteilinie. Ich befolge auch keinerlei Befehle, egal ob sie von meinem Vater, von meiner Kirche oder von einer Regierung sind.“

Gestatten Sie mir zu sagen, dass Dean ein unabhängiger Sozialist war. Er hielt den Kommunismus für ein Ideal, der nicht wirklich existierte. Er war auch ein Internationalist und das, was ich eine multikulturelle Persönlichkeit nennen würde.

Seine Philosophie veränderte sich mit den Jahren. Nach unserem Besuch in Nikaragua 1984 und den Treffen mit einigen Vertretern der Befreiungstheologie begann er, einige seiner Haltungen zur Kirche in Südamerika zu überdenken und zu ändern.

Was seine Aktivitäten im Ostblock betraf, so versuchte er durchaus dafür zu kämpfen, den Sozialismus besser zu machen. Aber darüber wurde in der Presse nichts geschrieben. Sonst hätten die Schlagzeilen in Moskau wohl so gelautet: „Dean Reed droht, alle seine Auftritte in der UdSSR abzusagen, wenn er in den Konzerten nicht »My Yiddisha Mama« und »Hawa Nagila« singen darf.“ Und er gewann diese Schlacht. Oder in Prag hätte man folgende Schlagzeile lesen können: „Dean Reed legt die Zahlungen und Bestechungsgelder offen, die tschechoslowakische Musiker zahlen müssen, damit sie reisen dürfen.“ Diesen Kampf verlor er und durfte drei Jahre lang nicht in der Tschechoslowakei auftreten. In seinen letzten Jahren in der DDR rüttelte er an den Stühlen einiger sehr hoher Funktionäre.

Will Roberts, 26. September 2003
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english …What does Marxism mean to you?
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spanish…¿Que significa para tí el marxismo?
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russian …Что для тебя означает „марксизм“?

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└ Tags: Dean Reed
 Kommentar 
Apr01
am 1. April 2017
Veröffentlicht in: Allgemein

Ljubow Pribytkowa

Die Wahrheit kann man nicht erschlagen!

Pawel Morosow (1918-1932)
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Ljubow Pribytkowa

Heute ist Pawel Morosow vor allem durch die sowjetfeindlichen Mythen als ein „Schuft“ und „Verräter“ bekannt geworden. Doch die erste Welle der Verleumdung ist bereits in sich zusammengebrochen. Morosow ist einer von denen, die in Zukunft alle anderen Helden jener Zeit überragen werden. Man musste ihn verleumden, um der Jugend alle ehemaligen sowjetischen Helden aus dem Gedächtnis zu löschen. Man musste der Jugend vorführen, dass es nichts und niemanden auf der Welt gibt, für den es sich zu kämpfen lohnt, dass unsere sowjetische Geschichte eine ununterbrochene Hölle ist, und alle Heldentaten einfach nur Propagandagetümmel der blutigen Staatssicherheit…

Der Zerstörung der UdSSR ging eine massive antisowjetische Bearbeitung des Bewusstseins der sowjetischen Bevölkerung voran. Mitte der achtziger Jahre, als die sowjetische Partei- und Staatsführung sich endgültig verbürgerlichte und die Klassenorientierung bei der Führung der Gesellschaft beiseite warf, bemächtigte sich die Dissidenten-Intelligenz der Massenmedien. Eine mächtige Schmutzflut ergoss sich über die Seiten der Presse und überschwemmte alles, was in der sowjetischen Geschichte bisher als wertvoll und schön gegolten hatte. Alles wurde in den Dreck getreten: unsere moralischen Werte wurden verlacht, die heldenhaften Taten des sowjetischen Volkes wurden bespuckt. Dafür aber wurden den Menschen westliche Marktvorstellungen, die Umbewertung historischer Ereignisse und ganz offensichtliche Lügen und Verleumdungen ins Bewusstsein eingepflanzt.

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Wie die Geschichte gefälscht wird

Offizielles Porträt
von Pawel Morosow (1918-1932)

Eine besondere Rolle bei der Manipulation des Bewusstseins der Menschen spielte und spielt immer noch die Geschichte der Sowjetunion, die nun im Interesse der Klasse der Besitzenden, die in Russland an die Macht gekommen waren, von der speichelleckerischen Intelligenz umgeschrieben wird. In Anbetracht der Unwissenheit oder des Halbwissens der Menschen werden die historischen Tatsachen bewusst verzerrt, mit betrügerischer Raffinesse wird das Wahre gegen Falsches ausgetauscht, geschickt werden die politisch Halbgebildeten mit erfundenen Histörchen gefüttert.

Ein solcher Mythos ist die Story über den kleinen Pawel Morosow [1], einen sowjetischen Jungpionier [2]. 1988 war in der Zeitschrift „Die Jugend“ eine Story von W.Amlinski, einem offenbar kulakischen Abkömmling, erschienen, der über den jungen sowjetischen Helden das Verdikt aussprach: „Pawel Morosow ist nicht ein Symbol der Standhaftigkeit und des Klassenbewußtseins, sondern das Symbol des legalisierten Verrats.”

Sofort hat die sogenannte „demokratische“ Presse diese Idee aufgegriffen und der bürgerliche Schreiberling S. Solowejtschik fing an, die sowjetische Propaganda einer „diabolischen Schlauheit“ zu bezichtigen: „Niemand kann dem im Wald ermordeten Jungen nachfühlen, doch unbemerkt wird unter der Anästhesie des Mitleids gegenüber dem Ermordeten in die Herzen der Kinder, die das Buch lesen, ein dämonisches Serum gegen das Gewissen eingeträufelt.“
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Falschmünzerei und dummes Gerede

Und irgendwie teilte dann im Moskauer Rundfunk ein Herr den Zuhörern seine Erinnerungen mit, als er eine gewisse Zeit in den USA gearbeitet hatte. Er erzählte eine Begebenheit, die seiner Tochter in einem amerikanischen College widerfahren war, als sie im Unterricht mit einer Aufgabe schnell zurechtkam und dann einem dunkelhäutigen Nachbarn bei der Lösung half. Danach schaltete sie ihren Walkman an und hörte heimlich ihre Lieblingsmusik von Wiktor Zoj [3]. Doch wie groß war ihr Erstaunen, als dieser dunkelhäutige Junge sie deshalb bei ihrer Lehrerin „verpetzte“. Und der Herr schloß seine Erinnerungen mit den Worten: „Die Amerikaner haben – ähnlich wie Pawel Morosow – die Zuträgerei in ihrem Charakter.“

Über die Falschmünzerei dieser Schnellschreiber muß man sich nicht wundern. In einem Brief an Maxim Gorki vom 15. September 1919 bestätigt Lenin, daß sich die Intelligenz, die zum Handlanger der Bourgeoisie, zum Lakaien des Kapitals wurde, vom Gehirn der Nation in dessen Scheiße verwandelt. [4]

 

Ein unersättliches, gemästetes Gesindel…

Auch jetzt fliegen die Journalisten, die Juristen, die Schriftsteller, die Dozenten und Professoren, wie unser vortrefflicher sowjetischer Dichter Boris Gunko [5] sagte, „ein unersättliches, gemästetes Gesindel“, auf alles, was ihnen hilft, im Gespräch zu bleiben, die Machthaber zufriedenzustellen und sich möglichst teuer zu verkaufen. Und deshalb drehen und wenden sie sich mit Geschick, sind schlau und lügen, verleumden und schleimen, und sie pfeifen auf ihre eigenen vorherigen Überzeugungen. Sie richten sich jetzt – wie’s gewünscht wird – nach etwas anderem. Doch mit der Wahrheit nehmen sie es nicht so genau.

 

Bücherverbrennung wie bei den Nazis

Für die junge heranwachsende Generation ist es heute schwierig, die Wahrheit über unsere vorige Geschichte herauszufinden. Aus vielen Bibliotheken wurde die sowjetische Literatur hinausgeworfen und zerstört. Ich war selbst Zeuge, wie Anfang der neunziger Jahre im Hof des Irkutsker Regionalkrankenhauses in einem riesigen Feuer Tausende (!) Bände schöner Bücher verbrannt wurden. Wir standen da und sahen dem Feuer zu, unter Tränen und mit Schmerz in der Seele. Nichts konnten wir machen.

Und beim Irkutsker Pädagogischen Institut, wo ich arbeitete, waren in dieser Zeit die Mülltonnen voll mit der Literatur, die aus den Schränken des Fachbereichs für Philosophie und anderen gesellschaftswissenschaftlichen Fachbereichen hinausgeworfen wurden. Die russischen „Demokraten“ zementierten ihre Macht, so wie 1933 die Faschisten in Deutschland, da wurden Bücher verbrannt, Denkmäler gestürzt und es wurde gelogen, gelogen und nochmals gelogen.

Doch die Wahrheit kann man weder durch Lügen noch durch Feuer töten. Das bezeugt die Geschichte. Nur müssen diejenigen, die zur Wahrheit gelangen wollen, die z.B. die Wahrheit über Pawel Morosow erfahren wollen, große Mühe aufwenden. Vor allem müssen sie jene schwere Zeit studieren, als das neue Leben in unserem Land, in der Sowjetunion allmählich aufzublühen begann. Als einfache Arbeiter und Bauern sich aus den unerträglichen Bedingungen ihres Daseins zum Kampf erhoben, als aus den einst Schwachen starke und mutige Menschen wurden, und als die Starken auf Tod oder Leben gegen das Übel kämpften und im Tode noch unsterblich wurden.

 

Die unsterbliche Heldentat des Pawel Morosow

Ebenso unsterblich ist auch die Heldentat des 13jährigen Pawel Morosow. Dieser Name ruft auch jetzt, nach über achtzig Jahren, bei den Feinden der Sowjetmacht Wut und Schrecken hervor. Doch bei uns erzeugt sie das Bestreben, es diesem Uraljungen gleichzutun, ihn nicht aus unserem Gedächtnis zu verlieren und seinen ehrenvollen Namen vor Verunglimpfungen zu bewahren. Und es ist schön zu sehen, wenn heute junge Kommunisten-Revolutionäre die Sache dieses Jungen, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts lebte, fortsetzen…

Um den Heldenmut dieses Dorfjungen Pawel Morosow zu verstehen, muss man sich einmal in das Leben in einem solchen gottverlassenen Nest wie Gerassimowka im Tobolsker Gouvernement zurückversetzen. Hier hatten sich, fünf Werst [6] vom See Satokowo entfernt, in der wilden Taiga, Auswanderer aus dem Witebsker und Minsker Gouvernement von Belorussland angesiedelt. Im damaligen zaristischen Russland war zu Beginn des 20. Jahrhunderts vor allem in Belorussland, wo grausame Gutsherren wüteten, die Lage der Bauern am unerträglichsten. Die Mehrzahl der einfachen Bauern besaß weder Land noch Pferde. Die Gutsbesitzer waren bestrebt, das Land mitsamt ihren Leibeigenen an wohlhabende Pächter (der ländlichen Bourgeoisie) zu vermieten. Die Pächter wiederum wollten nicht die Erwachsenen, sondern nur die Kinder mieten, um wesentlich weniger bezahlen zu müssen. Und so war der Hunger ein ständiger Begleiter des belorussischen Volkes. Der einzige Ausweg bestand darin, auf freien Boden unweit des Ural umzusiedeln.

 

Umsiedelung in die Taiga

Pawel Morosow mit Kindern seines Heimatdorfes Gerassimowka

So siedelten sowohl wohlhabendere, als auch arme Bauern dorthin um. Nicht allen glückte diese weite Reise. Viele der Auswanderer starben bereits unterwegs an Hunger und Krankheit. Tausende namenloser Gräber säumten den Weg nach Osten. Die Reicheren hatten sich in der neuen Gegend schnell wieder eingerichtet. Die Ärmeren kamen mitsamt der ganzen Familie, so konnten sie leichter den Wald roden, sich ansiedeln und das Land urbar machen.

In Gerassimowka verfügte die Sippe Sergej Morosows über einen bemerkenswerten Einfluss. Sergej war kein Bauer wie die anderen. Er wuchs auf in der Familie eines Aufsehers im Witebsker Gefängnis, der später Schutzmann wurde. Auch arbeitete er als Gefängnisbote. Nach dem Tod seines Vaters hatte einiges Geld beisammen für die Übersiedlung. Seine Frau Aksinja hatte man dort ins Gefängnis gesteckt, sie musste eine Zeit absitzen für den Diebstahl eines Pferdes. Seine beiden Töchter brachte Sergej Morosow zu zwei Reichen – Arsenija Kulukanowa und Arsenija Silina. Sie wohnten in schönen Häusern gleich nebenan. Auch die Söhne Iwan und Trofim hatten dort ihre Häuser gebaut.

 

Erneute Spaltung der Gesellschaft

Schon bald nach der Ankunft spaltete sich die Bevölkerung in Kulaken [7] und in die ärmeren Schichten, denen nur die Zwangsarbeit Hoffnung auf ein Überleben gab. Bereits nach der ersten Saat verfielen die Armen in ewige Knechtschaft. Das Saatgut musste bei den Kulaken gekauft werden, weil es das sonst nirgends gab. Für jede fünf Pud Korn mußte man fünf Tage auf dem Feld des Kulaken arbeiten. Ihr gepachtetes Stück Land konnten die Armen erst dann bestellen, nachdem auf dem Feld des „Wohltäters“ ausgesät war. Das Korn einer großen Familie reichte kaum bis zum neuen Jahr, und dann war man gezwungen, wieder zu borgen. Die Lehrerin L.P. Issakowa berichtet:

Ich kam 1929 nach Gerassimowka. Ich ging von Haus zu Haus, um die Kinder in die Schule aufzunehmen. Die Armut war erschreckend. Die Kinder hatten nicht einmal etwas anzuziehen, womit man in die Schule gehen konnte. Die Kinder saßen halbnackt auf Hängepritschen, notdürftig mit Lumpen bedeckt. Später kamen sie in den Unterricht mit Bastschuhen, zogen sie aus und hängten sie an einen Nagel, damit sie nicht zertreten werden…

Pawel war der Sohn von Trofim Morosow und Tatjana. Der Vater hatte eine kirchliche Gemeindeschule besucht, mit bäuerlicher Arbeit hatte er sich nie befaßt. Er arbeitete als Beschaffer für Suppengrün, Beeren und Pilze. Er trank gern und ging gern spazieren. Als sein ältester Sohn Pawel acht Jahre alt geworden war, verließ Trofim die Familie und zog mit seiner Geliebten zu seinem Schwager, der bis zu zehn Knechte hatte.

 

Der falsche Vorsitzende…

Als in Gerassimowka die Sowjetmacht errichtet wurde, hatte man Trofim Morosow zum Vorsitzenden des Dorfsowjets gewählt, weil er im Dorf fast der einzige war, der lesen, schreiben und rechnen konnte. Nach den Worten seiner Nachbarn war er finster, wortkarg und ein Doppelzüngler. Nach der Wahl war er wichtig geworden, und er kam sehr bald auf den Geschmack der Macht. Seinen Worten nach war er für das Volk, doch in der Sache hielt er es so: „den Wohlhabenden gegenüber übte er Nachsicht, den Armen, den Witwen und Waisen half er in keiner Weise“. Trofim Morosow nutzte also die Lage zu seinem eigenen Vorteil.

Nachdem sie die Akten der Strafsache № 347 von 1932 über den grausamen Mord an den Brüdern Pawel und Fjodor Morosow genauestens studiert hatte, berichtete darüber die Journalistin Weronika Kononenko in der Zeitschrift „Mensch und Gesetz“. Trofim Morosow begann, mit den Akten des Dorfsowjets zu spekulieren. Für einen Sack Korn, ein Stück Fett gab er Auskünfte, dank derer zwangsumgesiedelte Kulaken freikamen und in die Heimat zurückkehren konnten. Auch riss er sich das beschlagnahmte Eigentum der Kulaken unter den Nagel.

Trofim Morosow versorgte die Kulaken-Banden, die das ganze Dorf in Angst und Schrecken hielten, mit Blanko-Formularen des Dorfsowjets. Wegen ihrer Grausamkeiten fürchteten sich die Bauern, in den Kolchos einzutreten. Darüber gibt es in der Strafsache 342 zahlreiche Zeugenaussagen.

 

Familie im Elend

Pawels Mutter mit einem
ihrer Enkel. Sie starb 1983

Die verlassene Frau Trofims und seine fünf Söhne lebten im Elend. Bald starb Grischa, der Jüngste, vor Hunger. Pawel und seine Brüder mußten als Tagelöhner arbeiten. Die Familie lebte von der Hand in den Mund. Pawels Bruder Alexej Trofimowitsch Morosow schrieb später: „Der Großeltern haben uns niemals etwas zu essen gegeben oder uns hereingebeten … der Großvater nannte Pawel nur ‚Habenichts‘ und ‚Hungerhaken’”.

Pawel war die einzige Stütze für die ganze Familie. Deshalb wuchs schon in den Kinderjahren in seiner Seele das Gefühl für die Ungerechtigkeit des Lebens, und es entstand der Wunsch, nicht nur den jüngeren Brüdern und der Mutter bei ihrer schweren Arbeit, sondern auch all denen zu helfen, die seiner Hilfe bedurften.
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Ein bemerkenswerter Brief der Lehrerin von Pawel

Als während der „Perestrojka“ damit begonnen wurde, die Denkmäler für Pawel Morosow zu zerstören, den Maxim Gorki als den ersten der „mutigen jungen Leute“ bezeichnete, „die große Heldentaten zu Ehren des geliebten Vaterlandes vollbrachten“, erhielt die Redaktion der Zeitschrift „Mensch und Gesetz“ einen Brief:

Es schreibt Ihnen die Lehrerin von Pawel Morosow, Larissa Pawlowna Issakowa. Wundern Sie sich nicht, ich bin noch am Leben Wenn mein Schüler ein „Verräter“ genannt wird, dann werfen diese Leute auch Steine nach mir. Man hält ihn für einen „Stalinisten“ – und man verhält sich zu ihm und zu Menschen meiner Generation, wie zu Leuten, die „im Laufe vieler Fünfjahrpläne einer ideologischen Bearbeitung ausgesetzt‘ gewesen seien. Der bekannter Schriftsteller … sagte sogar, dass man bei solchen Leuten wie mir, „ganze Stücke des Gehirns herausreißen“ müsse, ohne sich darüber im klaren zu sein, dass seine Worte der reinste Faschismus sind. Mögen sie doch machen, was sie wollen, mögen sie Pawel verleumden, doch ich habe im Leben schon soviel durchgemacht, dass mich mich vor nichts fürchte. Ich werde es nicht zulassen, dass über die Toten oder über die Lebenden gespottet wird.“

Es ist ein Verbrechen, Pawel Morosow zu verspotten. Sein ganzes Leben ist eine Heldentat. Und das ist nicht einfach nur ein starkes und schönes Wort. Er las die Zeitungen, die von den Bolschewiki ins Dorf gebracht wurden, er wusste von der Revolution, die der Beginn grandioser Veränderungen war. Er berichtete den Siedlern über das Gelesene. Und sie hörten ihm gerne zu, waren ihm zugeneigt. Mit seinen Überlegungen brachte er den Armen Hoffnungen, gab ihnen den Glauben an die Möglichkeit eines besseren Lebens und weckte in ihnen das Selbstvertrauen. Mit seinen Worten, seiner Tapferkeit und seinem Wagemut brachte er sie hinter sich.

 

Wie kam es zu dem Mord an Pawel Morosow?

Als Trofim Morosow nach seiner Verhaftung bei Gericht vernommen wurde, bestätigten sich die Aussagen Pawels, dass sein Vater sich nicht um die Armen gekümmert hat, daß er sich das beschlagnahmte Eigentum der Kulaken angeeignet hatte. Über die Auskünfte, die er den Kulaken gab, hatte er nichts gesagt. Aber für die Untersuchungsbehörden war auch das nicht schwer zu beweisen, dazu brauchten sie nicht die Aussagen eines Jugendlichen.

Nach dem Mord an den Jungen gibt es in der Strafsache auch Aussagen von Pawels Großvaters, dass sein Enkel „Silin und Kulukanow auf Schritt und Tritt gefolgt ist, um ihnen nachzuweisen, daß sie Brot beiseite schaffen“. Auch dem gerissenen und geizigen Großvater hatte Pawel keine Ruhe gelassen. Und der Großvater zwang auch seinen anderen Enkel Danil, Pawel zu verprügeln, verprügelte ihn selbst und drohte, ihn solange zu schlagen, „bis er aus den Pionieren wieder austritt“ (aus den Aussagen der Mutter Pawels, Tatjana Semjonowna, vor Gericht über die Mörder ihrer Söhne).

Einmal hat Danil Pawel mit der Deichsel auf die Hand geschlagen, die Hand schwoll an. Auf die Schreie von Pawels Mutter antwortete Danil: „Wir werden die Kommunisten so lange schlagen, bis wir ihnen im Jahr 21 das Fell über die Ohren ziehen werden.“ Und er schlug auch die Mutter, die sich zwischen ihn und den Sohn gestellt hatte. Und in aller Ruhe sagte die Großmutter Aksinja zu Danil: „Erstich doch diesen rotzigen Kommunisten.” (vor Gericht haben einige Zeugen bestätigt, daß sie von der Alten diese furchtbaren Worte gehört hatten). Und am 12. September 1932 haben Großvater Sergej und Danil Pawel und seinen neunjährigen Bruder Fedja, die im Wald die Moosbeeren sammelten, grausam ermordet.

 

Ein Vorbild für viele Generationen

Pawel Morosow (1918-1932)

Beim Nachdenken über das Schicksal von Pawel Morosow ist man weniger erstaunt über das Alter dieses Jungen, als vielmehr über die Klugheit, das entwickelte Klassengefühl, die Festigkeit seiner Überzeugungen und die beeindruckende Tapferkeit, seine Standhaftigkeit und Hartnäckigkeit. Bereits im Alter von dreizehn Jahren hat er es geschafft, um sich nicht nur Freunde scharen, sondern auch die verheirateten und erwachsenen, armen Bauern. Pawel trat in Versammlungen auf, erzählte über die von der Sowjetmacht im Lande vollbrachten Heldentaten und setzte sich für die Armen ein. Er trat als erster im Dorf für die Staatsanleihen ein und agitierte andere, es auch zu tun. Er überzeugte die Männer, die vorübergehenden gemeinschaftlichen Vereinigungen in ständige umzuwandeln, was dann tatsächlich zur Bildung von Kolchosen führte.

Pawel wurde zu einem echten Führer der Armen. Das Leben machte ihn zu einem wahrhaftigen Kämpfer. Den Kulaken aber steckte er wie ein Knochen in der Kehle. Er hinderte sie daran, sich zu bereichern, andere auszurauben und ungestört das Land auszubeuten. Je mehr Pawel von den Armen geachtet wurde, umso größer wurde der Hass der Kulaken auf ihn. Sie erschlugen ihn, um ihn aus dem Weg zu räumen und alle anderen einzuschüchtern. Sie wollten den Sonnenaufgang aufhalten und die Ankunft einer neuen Zeit verhindern.

Was die Feinde des Volkes in den 1930er Jahren machten, das macht heute die Bourgeoisie in unserem Land, unter dem falschen Label „Volkswohltäter“ und „Demokraten“. Sie bringen damit nicht nur die Lebenden um, sondern sie töten die gefallenen Helden erneut. Doch alle kann man nicht erschlagen! Der Lauf der Geschichte ist nicht aufzuhalten!
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Anmerkungen:
[1] Die Geschichte des jungen Pawel Morosow wurde bekannt, als dieser, um die Sowjetmacht zu unterstützen, einen habgierigen Gutsbesitzer wegen dessen Betruges anzeigte und dafür von Unbekannten im Wald erschlagen wurde.
[2] „Junge Pioniere“ – eine auf dem Prinzip der Freiwilligkeit beruhende, nach W.I. Lenin benannte, kommunistische Massenorganisation der Kinder der Sowjetunion. Ihre Hauptaufgabe bestand darin, Schule und Lehrer zu unterstützen und die heranwachsende Generation zu stärkster Hingabe an die sozialistische Heimat und und an die Idee des Kommunismus zu erziehen.
[3] Wiktor Zoj (1962-1990) – bekannter sowjetischer Rockmusiker
[4] Wörtlich schrieb Lenin: „Die intellektuellen Kräfte der Arbeiter und der Bauern wachsen und erstarken im Kampf für den Sturz der Bourgeoisie, und ihre Helfer, die Intellektuellen, die Diener des Kapitals, halten sich für das Gehirn der Nation. In Wirklichkeit sind sie nicht das Gehirn, sondern Scheiße.“ (Brief an Gorki v. 15. Sept.1919, LW Bd. 51, S. 47-49 (russ.)
[5] Boris Michailowitsch Gunko (1933-2006) – bekannter sowjetischer, kommunistischer Dichter
[6] Werst (alte russische Maßeinheit), 1 Werst = 1066,8 m
[7] Kulaken: reiche Großbauern in Russland. Es gab noch bis Anfang des 20.Jahrhunderts Überreste der Leibeigenschaft in Rußland.

  Ljubow Pribytkowa: Pawlik Morosow

Quelle: http://www.rkrp-rpk.ru/content/view/10627/ (Danke an Kommunisten-Online)

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└ Tags: Sowjetunion
 Kommentar 
Mrz30
am 30. März 2017
Veröffentlicht in: Allgemein

Werner Hüper

Russland und die NATO

Werner Hüper

Als Russland wirtschaftlich am Ende,
gab es die ersehnte Wende.
Der kalte Krieg war nun vorbei,
viele Staaten wurden frei.
Damals wurde viel versprochen,
was die Nato hat gebrochen.
.
Warum stehen im Baltikum,
ständig Nato-Panzer rum?
Warum muss denn die EU,
sich erweitern immerzu?
Es kann Putin nicht gefallen,
wenn Amerikas Vasallen,
immer tun, was Amis wollen,
das erzeugt bei Putin Grollen.
.
Was in Kiew ist geschehen,
kann man auch wie Putin sehen.
Die EU hat falsch verhandelt
und mit Kiew angebandelt.
Putin hat die Krim besetzt,
und der Westen ist entsetzt.
.
Man vergisst nicht zu betonen,
wir verhängen jetzt Sanktionen.
Was will man damit schon erreichen,
glaubt man, die Russen würden weichen?
Die Folgen trägt doch die EU
und die Amis schauen zu.
.
Denen tut das gar nicht weh,
sie leben ja in Übersee. Nun verlegt man Militär,
tut so, wie wenn’s Manöver wär’.
Doch Putin kann in Ruhe warten,
niemand will mit Waffen starten.
.
Ist man doch dazu bereit,
lehrt uns die Vergangenheit:
In jedem interessanten Land,
Amerika noch Gründe fand,
um militärisch einzugreifen
und aufs Völkerecht zu pfeifen.
.
Wenn sie dann gescheitert sind,
und im Brunnen liegt das Kind,
müssen schnell die Partner springen,
und militärisch Hilfe bringen.
So war es in Afghanistan,
wo es gar nicht lief nach Plan.
Auch im Irak ging es daneben,
viele verloren dort ihr Leben.
.
Die Waffenlobby braucht die Kriege.
Dabei geht es nicht um Siege.
Man entwickelt neue Waffen,
das Militär darf sie beschaffen.
Arbeitsplätze sollen entstehen,
ob Pazifisten das verstehen?
Muss man erst einmal zertrümmern
und sich dann um Aufbau kümmern?
.
Warum nicht mit Putin sprechen,
die Ost-West-Blockade brechen?
Dabei nicht auf Amis hören,
die die Atmosphäre stören.
Sicher gibt es Kompromisse,
die überbrücken tiefe Risse.
Und die EU muss langsam sehen,
weiter nach Osten kann’s nicht gehen.

 

Auch dieses Gedicht stammt aus meinem Buch „Die junge Frau mit Körbchen C…“, eine Gedichtsammlung in der ich die Welt von A-Z auf humorvolle Art kritisch beleuchtet. Ob es Damen mit dem Hang zur perfekten Figur, Herren mit ausgeprägtem Geltungsdrang oder bemerkenswerte Eigentümlichkeiten in Politik und Gesellschaft sind – all das findet seinen Platz in meinem satirischen Erstlingswerk.

ISBN: 9783734752872 – 124 Seiten

 

 

 

 

 

 

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└ Tags: Lyrik
 Kommentar 
Mrz29
am 29. März 2017
Veröffentlicht in: Harry Popow

Harry Popow

Scharf gewürzt

Buchtipp: Wolfgang Bittners Satire-Buch »Die Abschaffung der Demokratie«
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Harry Popow

Wenn unser noch amtierender oberster Staatshäuptling Deutschland vollmundig als die beste Demokratie in der Geschichte preist, kann man sich nur an den Kopf fassen. Nicht ohne Grund werden sich deshalb viele Leser gern darauf einlassen, wenn eine derart unreflektierte Schönfärberei entlarvt wird und der Kaiser plötzlich ohne Kleider dasteht.

Das passiert in Wolfgang Bittners Buch „Die Abschaffung der Demokratie“, einer kräftig gewürzten satirisch-literarischen Attacke auf die alltäglichen Unwägbarkeiten in der Postdemokratie und auf die gefährlichen Machenschaften der Kapitaleliten. Damit steht Wolfgang Bittner in der Tradition von Kurt Tucholsky und Erich Kästner, die die Warnzeichen ihrer Zeit fest ins Visier genommen haben. Damals wie heute ein Anrennen gegen die Wand? Keineswegs, denn im Nichtstun erstickt Menschlichkeit. Wer will das bestreiten

In meist kurzen, zupackenden Polemiken, Glossen und satirischen Texten führt der Autor den Lesern die Schwächen und Widersprüche des menschlichen Daseins in Zeiten der Vorbereitung neuer Kriege vor Augen. Ebenso scharfkantig weist er auf die Menschlichkeit absorbierende Wirklichkeit hin, auf die weltweiten inhumanen Verhältnisse, in denen die Gattung Mensch zu ersticken droht, trotz Vernebelung, Beschwichtigungen und gelegentlicher Zückerli, die das Establishment stets parat hat, um das Volk bei Konsumfreude und – wenn es beliebt – bei Kriegslaune zu halten.

Das Buch besteht aus vier größeren Abschnitten und aus insgesamt über zweihundert politisch scharfsinnigen, immer eine Überraschung bereithaltenden Beiträgen. Oft nur ironisch andeutend, dann wieder in überspitzter und damit wirkungsvoller Weise, kommt der Autor zum Wesentlichen. Das tut dem Leser und seiner intellektuellen Aufnahmebereitschaft gut und macht das Buch zu einem Lesevergnügen, wie es bei diesem politisch profilierten Schriftsteller und promovierten Juristen nicht anders zu erwarten war, der u.a. das sehr erfolgreiche Buch „Die Eroberung Europas durch die USA“ geschrieben hat.

Gleich zu Anfang seines Satirebuches steht eine Eloge auf die US-Eliten als vermeintliche Friedensstifter, weil sie die Kapital- und Energiemärkte und den zwischenstaatlichen Warenaustausch regulieren und uns militärisch schützen. Zugespitzt heißt es: „Vielleicht gelingt es mithilfe unserer Freunde demnächst ja doch noch, die Schmach von Stalingrad zu tilgen“ (S. 17-18). (Ob sich mit Trump nun wirklich etwas zum Besseren wendet, bleibt abzuwarten.)

Mitunter ist es schwer, bei ernsthaften politischen Themen das entlarvende Gegenargument anzubringen, denn Lächerlichkeit zu inszenieren will gekonnt sein. Aber das gelingt dem Autor auf vielfältige Weise. Wenn er die Formulierung „laut Aussagen von…“ benutzt, ist Aufmerksamkeit geboten. Manchmal heißt es auch: „Wie aus ungewöhnlich gut unterrichteten Kreisen verlautet …“ Dann geht es zur Sache. Treffend und originell ist auch die Satire über die Wiedergeburt habgieriger Manager oder korrupter Politiker, in der zum Beispiel die Betreiber riskanter Ölförderungsanlagen nach ihrem Ableben als „ölfressende Bakterien“ ihre Sünden abarbeiten müssen (S. 19).

Mit sehr spitzer Feder nimmt der Autor die Schwächen und Unvorhersehbarkeiten menschlichen Daseins aufs Korn, die dem marktwirtschaftlichen und globalisierten Neoliberalismus geschuldet sind. Nachdem er auf die Verbrüderung der Schafe mit den Wölfen eingeht – man weiß sofort, was gemeint ist –, prangert er die Auswirkungen dieser untauglichen Vereinigung an (S. 24-25). Er parodiert die Welle der Privatisierungen auf immer mehr Gebieten, die zunehmende Überwachung und Kontrolle sowie die zahlreichen Bestrebungen, aus den Bürgern höhere Steuern herauszupressen. Der „Fürsorgestaat“, der keine Grenzen kennt, erlegt – dem Vernehmen nach – Autofahrern und sogar Fußgängern eine Schutzhelmpflicht auf. Und in der Satire „Unternehmensberatung für Jungunternehmer“ empfiehlt Wolfgang Bittner aufstrebenden Profiteuren in der Maskeradengesellschaft, sich mit den Honoratioren der Stadt zu verbrüdern, sich bei Einladungen und Partys nicht lumpen zu lassen und die eigene Kreditwürdigkeit durch Geldtransaktionen von einem Konto aufs andere zu steigern. Dazu gehört dann noch, Medien zu beeinflussen, Konkurrenten auszuschalten und schließlich den Mitarbeitern vorzutäuschen, allen gehöre alles zu gleichen Teilen. Wichtig dabei: „Schulabschlüsse, Ausbildung, eventuelle Studien sind sekundär, auf den Willen kommt es an“ (S. 79).

Eine volle Breitseite bekommt die vom Markt gesteuerte „Persönlichkeitsentwicklung“ ab: der Wahn des Shoppens. Hin und wieder fällt das Wort „gehobene Verdienstklasse“, zu der jene gehören, die sich vor allem mit materiellem Besitz brüsten und so ihren „menschlichen Wert“ bezeugen wollen.

Alles in Allem: Anspruch und Wirklichkeit klaffen im Zuge der Manipulationstechniken der „Qualitätsmedien“ immer mehr auseinander. Leidtragende sind die geistig verarmenden Menschen, die dem Konsum erliegen, vereinsamen oder sozial auf der Strecke bleiben, die von demokratischer Mitbestimmung ausgenommen sind oder davon gar nichts wissen wollen. Das wird in vielen dieser Geschichten deutlich.

Für Leser, die sich vor allem von pfiffigen Ideen, listigen Übertreibungen, angriffslustiger Polemik und vom Lächerlichmachen der Zeitumstände angesprochen fühlen, ist dieses Satirebuch ein Gewinn, ein Erkenntnis-Erlebnis. Wenn manche Leser sich in ihrem Denken und Verhalten wiederfinden, so liegt das sicherlich in der Absicht des Autors, weist er doch vollen Ernstes und mit viel Fabulierungsspaß nach, dass Demokratie – wenn sie überhaupt vorhanden war – in die Binsen geht.

Wie aus ungewöhnlich gut unterrichteten Kreisen verlautet, soll dieses scharf gewürzte Buch der Seitenhiebe auf eine überlebte Gesellschaft nach der nächsten Bundestagswahl als Anregung und offizielle Vorlage für neue Regierungsvisionen zur Verfügung stehen. Bis dahin herrscht allerdings darüber ein Redeverbot. „Demokratie“ in Aktion!

Wolfgang Bittner, „Die Abschaffung der Demokratie“, Westend Verlag, Frankfurt am Main 2017, ISBN 978-3-86489-167-0, 224 Seiten, 16,– Euro.

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Mrz28
am 28. März 2017
Veröffentlicht in: Allgemein

Rainer Woltmann

Alter Wein in neuen Schläuchen: Warum Trumps Präsidentschaft nicht überraschend kam! Teil II

Von armlosen Banditen, Salamandern und einer Fata Morgana
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Rainer Woltmann

Interessehalber habe ich mich in der letzten Zeit einmal mit dem Phänomen Trump beschäftigt und mich gefragt, wie er es geschafft hat Präsident der Vereinigten Staaten zu werden. Meine Recherchen haben mich auch in die Zeit George W. Bushs zurückversetzt. Die Parallelen zu 2016 sind erstaunlich. Meinen Beitrag möchte ich Euch nicht vorenthalten.

Im Jahr 2000 wollte man Wahlbetrügereien vorbeugen, in dem man Wahlmaschinen einsetzte. Diese Geräte, schenkt man dem Hersteller Sequoia Glauben, seien „akkurat, verlässlich und fair“. Tatsache ist jedoch, dass diese Wahlmethode der Manipulation erst recht Tür und Tor öffnete. Ganz zu schweigen davon, dass die Wahlmaschinen alles Andere als verlässlich arbeiten. So geschehen bei Vorwahlen in Fort Worth als 150.000 statt 50.000 Stimmen gezählt wurden, hunderttausend Wähler tauchten also plötzlich aus dem Nichts auf, wie eine Fata Morgana in der heissen Wüste. In Kalifornien sprachen Maschinen mit sehbehinderten Wählern vietnamesisch und in Iowa zählten die Geräte rückwärts. Aber auch das Wahlsystem an sich und dessen Organisation begünstigen Pannen und Manipulationen. In Georgia mussten Wähler einen Führerschein oder ein anderes Ausweisdokument vorlegen, obwohl eine halbe Million Wahlberechtigter, meist Arme, Alte und Schwarze, überhaupt keine Papiere besitzen. In mehreren anderen Staaten wurden bei den kleinsten Unstimmigkeiten tausende Wähler aus den neu erstellten computerbasierten Listen entfernt. Studenten in Ohio wurden aufgefordert ihre aktuellen Wohnorte zu registrieren, wobei teilweise mehrere Datenätze mit unterschiedlichen Wohnortangaben entstanden, die zur Löschung aus dem Wahlregister führten.

Beispiel eines Schmetterlingswahlzettels

Aber auch die traditionelle Zettelwahl führte durch den Einsatz erratischer Stimmzettel zu Auszählungschaos, wie zum Beispiel die sogenannten „Broken-Arrows“- und „Schmetterlings“ Wahlzettel in Florida. Kleine Anekdote am Rande, dadurch dass der demokratische Kandidat Al Gore durch die Doppelseitigkeit der Stimmzettel auf der linken Seite des Formulars zwar an zweiter Position stand, auf der rechten Seite aber der Kandidat der Reformpartei dazwischen positioniert wurde. Viele Wähler, die eigentlich für die Demokraten stimmen wollten, stanzten deshalb ihr Loch bei dem „paläokonservativen“ Pat Buchanan. In Florida entschied Bush dann auch die Präsidentenwahl 2000 mit gerade einmal knapp über 500 Stimmen für sich, die Zahl „537“ steht seitdem als Synonym für schmutzige Wahlkämpfe, Lügen und Rassismus.
Deshalb hat Amerika den falschen Präsidenten, sterben Kinder im Irak, und die Welt hasst uns“, sagte Matthew Schwartz, Galeriebesitzer, zugezogen aus New York.

Nicht nur im Jahr 2000 sondern auch bei den Wahlen im Jahr 2004 kam eine wissenschaftliche Analyse der Universität Berkeley zu dem Schluss, dass in Staaten, in denen elektronische Wahlmaschinen eingesetzt wurden ein statistisch signifikanter Effekt zu Gunsten des alten und neuen US-Präsidenten George Walker Bush festgestellt wurde.

Beispiel eines Broken-Arrow-Wahlzettels

Ein weiterer perfider Weg, Wahlen zu manipulieren, ist das sogenannte Gerrymandering (Kofferwort aus dem Nachnamen des ehemaligen Gouverneurs von Massachusetts und späteren US-Vizepräsidenten Elbridge Gerry und Salamander), eine Verschiebung von Wahlkreisen zu Gunsten einer bestimmten Partei. Diese nutzen vor allem die Republikaner seit einiger Zeit mit großem Erfolg. Salamanderartig werden die Wahlkreise dadurch so bizarr verschoben, dass der Demokrat Mickey Micheaux sich zur folgenden ebenso zynischen, wie treffenden Aussage über den 230 Kilometer langen, aber nur wenige Meter breiten Wahlkreis entlang der Interstate I-85 zwischen Charlotte und Durham in North Carolina hinreissen liess: „Würde man mit einem Auto mit geöffneten Vordertüren durch den Wahlkreis fahren, würde man die meisten Wahlberechtigten dort töten!“.

Bis 2010 hatten die Republikaner sich die Wahlkreise so zurechtgeschnitten, dass sie sich die Mehrheit im Kongress sicherten und damit den demokratischen Präsidenten Barack Obama massiv in seiner Handlungsfreiheit einschränkten. Seit dieser Zeit ist es für republikanische Präsidentschaftsanwärter auch möglich geworden, mit wesentlich weniger der Gesamtstimmen den Präsidenten zu stellen, wie es jetzt auch die Wahl Donald Trumps eindrucksvoll unter Beweis stellte. Obwohl Hillary Clinton rund 2,6 Millionen mehr Wähler hatte, wurde nicht zuletzt durch das, für Gerrymandering höchst anfällige Mehrheitswahlsystem, Trump mit 306 Wahlmännern Präsident, statt die nach Wählerstimmen überlegene Hillary Clinton. Politikwissenschafter vermuten gar, dass die Demokraten durch die verschobenen Wahlkreise auch bei der Wahl 2020 gegen den republikanischen Kandidaten unterliegen werden.

Beispiel für Wahlkreisverschiebung (Gerrymandering)

Bei der Präsidentschaftswahl 2016 wurde nun gehandelt, unzuverlässige Wahlmaschinen und erratische Stimmzettel wurden immer mehr durch moderne Wahlcomputer ersetzt. Deren Hersteller versprachen mehr Verlässlichkeit gegen Auszählungsfehler, schnellere Auswertung der Wahlergebnisse und weniger Manipulationsgefahr. Dürften sich die beiden ersten Punkte weitestgehend bewahrheitet haben, krankt es bei der dritten Behauptung allerdings gewaltig. Halderman und Kollegen von der Princeton University zeigten bereits 2006 in einem Experiment auf, wie einfach die Computer zu manipulieren waren, obwohl sie gar nicht mit dem Internet verbunden gewesen sind.

Bei der Wahl 2016 wurde es den Fälschern sogar noch einfacher gemacht. Da die Software mit den digitalisierten Stimmzetteln mittlerweile über gewöhnliche Windowsrechner über Internet an die Wahlbüros übermittelt wird, können einigermassen talentierte Hacker problemlos diese Computer hacken und Schadsoftware auf ihnen installieren und auf sämtliche Wahlcomputer aufspielen. In welchem Staat gibt es besonders viele gute Hacker? Ein Schelm, wer böses dabei denkt…!

Zu guter letzt wäre da noch der Gouverneur von Georgia, Nathan Deal zu nennen, der derzeit versucht, afroamerikanische Wähler per Gerrymandering aus seinem Wahlkreis zu verbannen. Preisfrage: Welcher Partei gehört er wohl an?! Einen kleinen Tipp gebe ich mit auf den Weg! Cui Bono!

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└ Tags: Ausland
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Mrz27
am 27. März 2017
Veröffentlicht in: Allgemein

Axel Holz

Die katholische Kirche und Benito Mussolini: Pakt mit dem Teufel

Papst Pius XI. hat Mussolinis Machtausbau gefördert, belegt ein Buch des amerikanischen Historikers David I. Kertzer
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Axel Holz

Im Zusammenhang von Papsttum und Faschismus ist Rolf Hochhuts Drama „Der Stellvertreter“ bekannt, in dem die Kollaboration des Papstes Pius XII. mit den Nazis offengelegt wird. Dieser Papst war bereits als Kardinalsstaatssekretärs seines Vorgängers tätig, des Papstes Pius XI., der zeitgleich mit Mussolini 1922 an die Macht kam. Über diesen Papst war bisher überwiegend Positives bekannt, wie dessen Enzyklika „Mit brennender Sorge“. Das päpstliche Rundschreiben behandelt die bedrängte Lage der römisch-katholischen Kirche in Deutschland und verurteilt Politik und Ideologie des NS-Regimes.

Auf der Basis der Akten aus den erst 2006 geöffneten vatikanischen Archiven kommt der Pulitzerpreisträger David I. Kertzer nun zu einem differenzierteren Bild, in de

ein Bücherwurm, der die vatikanische Bibliothek geleitet hatte, war zugleich herrschsüchtig, auf brausend und duldete keinen Widerspruch. Der Papst neigte zu langen Monologen, lehnte Fotos mit ihm außerhalb der Kurie ab und mied Telefonate. In Einem waren sich das 65-jährige Kirchenoberhaupt und der 39-Jährige Duce bei ihrem Machtantritt aber einig. Beide hatten eine tiefe Angst vor dem Kommunismus und beide sahen in der Demokratie etwas Schlechtes, weil die Menschen der Obrigkeit gehorchen sollten statt sie in Frage zu stellen.

Kirchenratswahlen am 23. Juli 1933: Wahlpropaganda mit SA-Unterstützung vor der St.-Marien-Kirche am Neuen Markt in Berlin. Quelle: wikipedia.org

Und beide waren aufeinander angewiesen – Mussolini um seine Macht zu sichern und der Papst, um den katholischen Glauben zu stärken und die Position des Vatikans rechtlich zu sichern. Mussolini kam dem Papst entgegen, in dem er Kruzifixe in Klassenzimmern und Krankenhäusern aufhängen ließ, die Abwertung der katholischen Kirche zum Straftatbestand erhob, Priester und Bischöfe besser materiell versorgte und dem Klerus Millionen Lira zur Restaurierung ihrer Kirchen zukommen ließ. Andererseits gingen Mussolinis faschistische Schläger nicht nur gegen Oppositionelle mit Massenterror vor, sondern auch gegen die Katholische Aktion des Papstes. Dennoch hatte Papst Pius XI. dem faschistischen Regime dem Weg geebnet und speziell in der Phase nach der Ermordung des sozialistischen Politikers Giacomo Mateotti Mussolinis Macht gerettet, als dieser kurz vor dem Sturz stand. Erst danach wurden alle Parteien außer der faschistischen Partei verboten, einschließlich der vom Papst kreierten katholischen Partei.

Der Papst sah im Duce den staatlichen Partner für eine Rechristianisierung Italiens. Beide kommunizierten fast wöchentlich über einen jesuitischen Mittelsmann. Papst Pius hatte wiederum ein großes Interesse daran, den rechtlichen Status des Vatikans zu klären, der seit der Besetzung Roms und anderer vatikanischer Gebiete durch den italienischen König im Jahre 1870 ungeklärt war, was zur Exkommunizierung des Königs führte. Durch die Lateranverträge zwischen dem Papst und Mussolini wurde 1929 die Trennung von Staat und Kirche vollzogen, die Vatikanstadt mit weiteren Gebäuden als eigener Staat anerkannt und Italien wieder zu internationaler Anerkennung verholfen. Papst Pius versuchte auch über Mussolini Einfluss auf Hitler zu gewinnen, um sich in Nazideutschland für eine Verbesserung der Situation der katholischen Kirche einzusetzen, etwa für die katholischen Schulen. Nach der Schaffung der Achse Deutschland-Italien wollte Mussolini solchen Wünschen nicht mehr entgegenkommen. Ebenso wenig war Mussolini bereit, der Forderung des Papstes nach Anerkennung katholischer Mischehen mit jüdischen Konvertiten nachzukommen. Der katholische Antisemitismus des Papstes wirkte letztlich nicht weniger ausgrenzend, als der rassische Antisemitismus, den Mussolini 1938 mit antisemitischen Gesetzen nach deutschem Vorbild etablierte. Diese Geister konnte der Papst auch zum Schluss seines Lebens nicht mehr einfangen, als er sich in einer Enzyklika gegen den Antisemitismus wendete. Nach seinem Tod ließ Kardinalstaatssekretär Pacelli die bereits für die Bischöfe geduckten Exemplare und die Notizen zweier Reden dazu verschwinden. Einige Dokumente zum Pontifikat Pius XI. sind bis heute nicht zugänglich.

*Der Autor ist Bundesvorsitzender des Bundes der Antifaschist*innen. Der Text wurde übernommen mit freundlicher Genehmigung des Autors. Der Artikel erschien zuerst auf mv.vvn-bda.de.

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└ Tags: Kirche & Religion
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Mrz26
am 26. März 2017
Veröffentlicht in: Allgemein

Susan Bonath

Allein auf der Straße

Verein warnt: Wohnungslosigkeit unter Jugendlichen wächst. Zehntausende fallen aus den Netzen, deutlich mehr als angenommen
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Susan Bonath

In Deutschland leben offenbar weit mehr Jugendliche auf der Straße als bisher angenommen . Das geht aus einer Studie hervor, die das Deutsche Jugendinstitut (DJI) am Freitag veröffentlichte. Interviews mit Betroffenen und Betreuern von Noteinrichtungen ergaben danach, dass aktuell vermutlich rund 37.000 junge Menschen unter 26 Jahren keine feste Bleibe haben. Zu zwei Dritteln handele es sich um Jungen und junge Männer, ein Drittel seien Mädchen und Frauen. Jeder vierte von ihnen lebe durchgängig auf der Straße. Die anderen finden meist Unterschlupf bei Bekannten oder Freunden. Etwa ein Fünftel aller Betroffenen sei minderjährig.

Vor zwei Jahren war das DJI von insgesamt etwa 21.000 Betroffenen ausgegangen. Auch bei den neuen Zahlen handelt es sich um Schätzungen. Da nicht alle Jugendlichen Hilfe in Anspruch nehmen, ist eine hohe Dunkelziffer wahrscheinlich. »Straßenjugendliche bleiben in Städten oft unsichtbar und konnten somit vermutlich nicht adäquat erfasst werden«, konstatiert Autorin Carolin Hoch in einer Mitteilung des Vereins, der in München und Halle (Saale) ansässig ist und Geld unter anderem vom Bund und von den Ländern erhält. Der habe zudem nicht in allen Landkreisen Hilfeeinrichtungen gefunden, die befragt werden konnten. Generell sind die Zahlen zur Wohnungslosigkeit in der BRD nur Schätzungen. Es wird hierzulande nicht erhoben, wie viele Menschen auf der Straße leben und auf Hilfsangebote angewiesen sind.

Betroffene selbst sagten am häufigsten aus, dass sie nach dem 16. Lebensjahr auf der Straße gelandet seien. Ein kleiner Teil sei bereits vor dem 15. Geburtstag obdachlos geworden. Unter den Minderjährigen befänden sich mehr Mädchen als Jungen, so Hoch. Diese Gruppe falle am häufigsten aus allen sozialen Netzen. »Jüngere sind eher auf Betteln und unterstützende Privatpersonen angewiesen«, mahnt das Institut. Mit der Volljährigkeit kehre sich das Geschlechterverhältnis um.

Auf Bänken und unter Brücken harren viele Jugendliche aus.
Foto: © 2017 Pixabay

Das DJI sieht Jugendämter als mitverantwortlich für die hohe Zahl junger Wohnungsloser. Zum 18. Geburtstag beende es meist abrupt jede Hilfe. »So wächst das Risko, dass sie unbemerkt aus den Hilfestrukturen herausfallen«, so die Autorin. »Insbesondere Heimkinder scheitern nach dem 18. Geburtstag reihenweise«, weiß Markus Seidel von der Stiftung »Off Road Kids«. Grund sei, teilte er am Freitag mit, dass überschuldete Kommunen das Kinder- und Jugendhilfegesetz nicht ausreichend umsetzen könnten. »Sie brechen die Betreuung erheblich zu früh ab oder reduzieren sie«, warnte Seidel. Dies erlebten die Streetworker von »Off Road Kids« in Berlin, Dortmund, Hamburg und Köln sowie die Mitarbeiter des bundesweiten Onlineportals »Sofahopper« jeden Tag: »Nahezu alle wohnungslosen jungen Erwachsenen waren zuvor in der Jugendhilfe untergebracht«, so Seidel. Ihr Sprung in ein geregeltes Leben missglücke aufgrund der viel zu frühen Entlassung in die Selbständigkeit. Neu ist Seidels Hinweis nicht. Das DJI warnte bereits vor zwei Jahren vor dem fließenden Übergang von Heim- in Straßenkarrieren.

Offenbar sind sich auch viele Eltern Betroffener hilflos. Laut Verein gaben zwar viele Befragte familiäre Probleme als Auslöser für ihr Leben auf der Straße an. Die meisten hätten aber weiterhin Kontakt zu ihren Elternhäusern. Ein fehlender Schulabschluss ist ebenfalls nicht die Hauptursache. Dies betreffe nur gut ein Viertel der Jugendlichen. 42 Prozent verfügten hingegen über einen Haupt- und rund 30 Prozent über einen Realschulabschluss. Durchschnittlich lebten Betroffene zwar »nur« ein Jahr auf der Straße. Etliche schafften aber den Absprung nicht: »Je älter sie werden, desto mehr verstetigen sich die Straßenkarrieren«, so der Verein.

Auch die Jobcenter dürften ihren Anteil an dem Problem haben. Die von SPD-Arbeitsministerin Andrea Nahles fortgeführte und von ihnen durchgesetzte Politik sieht weiterhin vor, junge Erwerbslose zwischen 15 und 24 Jahren besonders hart zu bestrafen, wenn sie Anweisungen der Behörde nicht folgen. Schon zwei »Vergehen« innerhalb eines Jahres können zu einer dreimonatigen Totalsanktion führen: Sie erhalten weder Geld fürs Essen noch für die Miete. Beantragen sie nicht selbständig Lebensmittelgutscheine, fallen sie aus der Krankenversicherung. 2016 traf diese Härte monatlich rund 3.500 unter 25jährige, darunter etwa 200 Minderjährige.

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Erstveröffentlichung: Junge Welt, 25.03.2017. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Autorin
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└ Tags: Jugend
 Kommentar 
Mrz25
am 25. März 2017
Veröffentlicht in: Allgemein

Werner Hüper

Frühlingsboten

Werner Hüper

Der Frühling schickt die ersten Boten,
die Sonne scheint schon wohlig warm,
Optimismus ist geboten.
Auch der erste Vogelschwarm
ist zurück in der Region,
sucht zum Brüten einen Ast
und baut erste Nester schon.
So geht zu Ende Winters Last.
Die Natur jetzt voll genießen,
den Duft des Frühlings in der Nase,
erleben wie die Pflanzen sprießen,
dies ist des Jahres schönste Phase.
Doch diese währt nur kurze Zeit,
das Ende naht im Sauseschritt,
wir wissen das und sind bereit,
und gehen auf die Reise mit.

 

 

 

 

 

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Dieses Gedicht stammt aus meinem Buch „Die junge Frau mit Körbchen C…“, eine Gedichtsammlung in der ich die Welt von A-Z auf humorvolle Art kritisch beleuchtet. Ob es Damen mit dem Hang zur perfekten Figur, Herren mit ausgeprägtem Geltungsdrang oder bemerkenswerte Eigentümlichkeiten in Politik und Gesellschaft sind – all das findet seinen Platz in meinem satirischen Erstlingswerk.

ISBN: 9783734752872 – 124 Seiten

 

 

 

 

 

 

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└ Tags: Lyrik
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Mrz24
am 24. März 2017
Veröffentlicht in: Allgemein

Nico Diener

Was die »Tagesshow« verschweigt

Kuba bietet Kolumbien eintausend
Stipendien zum Medizinstudium an

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Nico Diener

Die lateinamerikanische Nachrichtenagentur Prensa Latina teilte am 17. März mit dass der Botschafter Kubas in Kolumbien, José Luis Ponce, berichtete, dass Kuba der kolumbianischen Regierung und den FARC-EP einen Fonds von 1000 Stipendien zur Verfügung stellte, um in den kommenden fünf Jahren auf der Insel Medizin zu studieren.
Von den bürgerlichen Medien in Westeuropa unkommentiert, wurden die entsprechenden Verträge am 13. März in Bogota, der Hautstadt Kolumbiens unterzeichnet.

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Der kubanische Botschafter in Kolumbien, José Luis Ponce, gab die Vergabe von eintausend Stipendien an Kolumbianer für das Medizinstudium in Kuba bekannt.
Photo: Prensa Latina

Prensa Latina schreibt u. a. „(…) Ponce erläuterte, dass die Verteilung der Stipendien, von denen jährlich 200 vergeben werden, davon 100 für die FARC-EP und 100 für die Regierung des Landes, ein Beitrags Kubas im Prozess der Implementierung der Friedensabkommen von Havanna und für die Konfliktbewältigung in Kolumbien ist.

Die ausgewählten Studenten werden im Studienjahr 2017-2018 ihre Stipendien antreten, berichtet Prensa Latina.

Die Kapazitäten für das Medizinstudium in Kuba werden für junge demobilisierte Kämpfer der FARC-EP und an Menschen vergeben, die durch den internen Konflikt vertrieben worden sind, welche vonseiten der Regierung ausgewählt werden.

Die Botschaft der Republik Kuba wird der kolumbianischen Regierung und den FARC-EP ein Dokument mit den Details des Angebots zukommen lassen.

Kuba diente bis 2016 über mehr als vier Jahre hinweg als Sitz der Friedensgespräche zwischen den Aufständischen und der Regierung des Präsidenten Juan Manuel Santos und war gleichzeitig zusammen mit Norwegen Garant für die bilateralen Gespräche.

In seinem Twitter Konto hob Márquez hervor, dass der Beitrag Kubas zum Prozess der Umsetzung des Abkommens von Havanna und zur Konfliktbewältigung in Kolumbien eine reine Geste der Menschlichkeit darstellt.

„Unser Dank an Armeegeneral Raúl Castro (Präsident Kubas) dafür, Kolumbien mit seiner Liebe und Solidarität zu erfüllen. Dies hilft dem Frieden und bietet uns Ärzte“, fügte der Kommandant der Aufständischen hinzu.

Die Anwältin und ehemalige Kongressangehörige Piedad Córdoba dankte ebenfalls für die Geste Kubas.

»Trotz der Blockade hat das Karibikland nicht nur eine Medizin, die zu den besten der Welt gehört, sondern ist auch eines der Solidarischsten«, schrieb die Verteidigerin der Menschenrechte und anerkannte Führerin der lateinamerikanischen Linken auf ihrem Twitter Konto.

„Der große Beitrag Kubas für den Frieden wird weitergeführt: Eintausend Stipendien werden an Regierung und Guerrilla vergeben“, unterstrich der Senator Iván Cepeda, einer der Triebkräfte für die Gespräche mit den Aufständischen in diesem Netzwerk.“

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└ Tags: Kuba, Was die »Tagesshow« verschweigt
 Kommentar 
Mrz23
am 23. März 2017
Veröffentlicht in: Susanne Fiebig, Volkskorrespondez

Volkskorrespondenz

Susanne Fiebig

Mir ist kalt

Der Wind durchdringt alle Schutzschichten die ich um mir aufgebaut habe
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Susanne Fiebig

Mir ist kalt… 5 Grad plus, aber der Regen prasselt unaufhörlich. Meine Jacke und meine Hose, meine Schuhe, ja sogar meine Mütze sind durchtränkt vom Regen. Feuchte Luft in jeder Minute in der ich atme. Der Wind, nicht sichtbar und doch so gnadenlos, dringt durch jede Schutzschicht, die ich versucht habe um mich herum aufzubauen.
Gerade wollte ich nach ein wenig Kleingeld fragen, … ein heißer Tee wäre so gut… aber der Blick der Menschen, die eilig an mir vorbei laufen, hält mich davon ab zu fragen… ich hab hunger…

Mein Wohnzimmer ist der kalte Asphalt, mein Bett eine Isomatte und ein Schlafsack. Mein Bad, die dunkle Ecke 100 Meter entfernt. Meine Küche? Ein Gaskocher, der leider kein Gas mehr hat.

Ein heißer Tee wäre immer noch toll….

Die letzten Kippen, der vorbei ziehenden Menschen, hab ich mit meinen Fingern weggeräumt und rolle ich meine dünne Isomatte aus… der Wind ist immer noch nicht gebändigt, …und dieser verdammte Regen…
Ich ziehe meine Schuhe aus, sie müssen unter mein provisorisches Kopfkissen… das nicht aus Daunenfedern besteht, sondern mein Rucksack ist, versteckt werden… lege ich mich in meinen Schlafsack. Aber den Reißverschluss lasse ich offen um schnell flüchten zu können, falls mich jemand… schlägt, anzündet oder …

Welcher Tag ist heute? Wie spät ist es?

Noch ein Schluck… gegen die Angst, gegen die Verzweiflung, gegen die Hoffnungslosigkeit, die Einsamkeit, gegen das mich vergessen, gegen die Kälte, …dieser blöde, kalte Wind. Und dieser Regen…

Ich bin müde… mein Körper kapituliert… schlafen… ich bin müde. Jetzt einfach nur schlafen…

Obdachloser, Prenzlauer Berg 2012.
Urheber/in: DigitalArtBln.
Dieses Bild steht unter einer Creative Commons Lizenz.

Ich habe 30 Jahre gearbeitet, meine Frau hat sich einen anderen Mann gesucht, während ich für uns gearbeitet habe. Nach der Trennung hab ich ihr und meinen Kindern die Wohnung überlassen. Bin beim Kumpel untergekommen… aber auf Dauer??? Mein Chef hat mir gekündigt, weil ich Fehler machte… nicht mit Absicht, aber alles was ich tat, war nicht genug… wie soll ich auch volle Leistung erbringen, während mein Privatleben total aus der Fugen gerät? Ich bin verzweifelt!

Ich hab 20 Jahre in einer großen Firma gearbeitet. Auf einmal sanken deren Umsatzzahlen… betriebsbedingte Kündigungen… aber da ist doch der Kredit für das Haus! Die Rate fürs Auto! Die Küchenmöbelrate? Wie erkläre ich das nur meiner Frau? Ach, ich finde schon was neues… wenn nicht diesen Monat dann nächsten Monat…. oder übernächsten Monat… Mahnungen, ich bezahle sie, ganz bald…wirklich. Zwangsvollstreckung…

Meine Eltern trinken beide, jeden Tag… es kotzt mich an. Es ist peinlich und Essen ist auch nie da … und wenn sie besoffen sind schlagen sie mich. Ich war beim Jugendamt. Eine Freundin sagte, die helfen mir… Aber ich will nicht mit 10 anderen in eine Unterkunft. Lieber bleib ich alleine. Ich bin alt genug mit 14 Jahren. Ich schaffe das schon! Niemand sperrt mich mehr ein! Niemand tut mir mehr weh! Ich bin frei….

Aber der Wind durchdringt immer noch alle Schutzschichten die ich um mir aufgebaut habe… und dieser Regen… ich habe Hunger..und husten… mir ist so kalt…
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└ Tags: Lyrik
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